... und mit einem Lächeln
Präsenzunterricht - darauf sind Lehrkräfte 'von Haus aus' vorbereitet. Und doch wird es jetzt anders sein - anders als vor Corona, anders als nach der ersten Infektionswelle. Schüler*innen haben sich verändert, ihre Gefühlswelt ist angegriffen.
Die COPSY-Studie bestätigt, was wir wussten, zumindest während des Distanzunterrichts bereits geahnt oder gespürt haben: Unsere Schüler*innen haben im Laufe des Corona-Jahres nicht nur fachliche Lücken verkraften müssen. Ein erheblicher Teil von ihnen leidet vor allem psycho-sozial.
Wie können sich Lehrkräfte auf diese schwierige Lage vorbereiten? Was müssen wir verstehen? Was können wir tun?
Verstehen Sie entwicklungspsychologisch, was sich abspielt
Kinder und Jugendliche brauchen neben einer intakten Elternbeziehung den Austausch mit Gleichaltrigen. In dem Alter lernen sie, wie man Beziehungen knüpft, Freundschaften schließt, sich einer Peergroup zuordnet. Je älter sie werden, desto stärker entwickeln sie eigene Werte, Selbstdisziplin und Selbstkontrolle dank ihres Umgangs mit Freunden und in Ablösungsprozessen von den Eltern.
Eingeschränkter Kontakt zu Gleichaltrigen ist gleichzusetzen mit eingeschränkter Persönlichkeitsentwicklung.
Kinder und Jugendliche haben seit einem Jahr kaum die Chance, sich auf natürliche Art und Weise 'frei' zu entwickeln. Besonders diejenigen, die in der Pubertät sind, können ihren entwicklungspsychologisch erhöhten Freiheitsdrang wenig ausleben. Erste Erfahrungen mit einer Liebesbeziehung müssen sie häufig aufschieben
Was folgt aus den Kontakteinschränkungen?
Viele Kinder und Jugendliche freuen sich auf die Schule. Sie freuen sich, weil sie Gleichaltrige, Freunde, ihre Peergroup endlich wieder treffen können. Mathe, Deutsch und Englisch im Live-Unterricht haben sie vermutlich weniger vermisst. Trotzdem sollte die positive Einstellung der Schüler*innen zur Schulöffnung unsere Haltung ihnen gegenüber positiv verstärken. Gerade dann, wenn
- manche Schüler*innen aufgestaute Aggressionen mitbringen,
- andere depressive Stimmungen zeigen,
- man einigen ein verändertes ungesundes Essverhalten ansieht,
- man Suchtverhalten vermutet (Süßigkeiten, Medien, Drogen).
Bleiben Sie offen, zugewandt und unterstützend.
Was Sie sehen, ist eine missglückte Verarbeitung der sozialen Einschränkungen während der Schulschließung. Ich halte es für außerordentlich notwendig, dass der für Schüler*innen so wichtige soziale Ort der Schule von ihnen ebenso als psycho-sozial sicherer Ort empfunden werden kann.
Was können Sie dafür tun?
Geben Sie Ihr Bestes bei der Klassenführung
Entscheidend ist jetzt, den Schüler*innen einen sicheren Rahmen für ihre Begegnungen und Gefühle zu geben. Alle möchten sich zugehörig zur Klassengemeinschaft fühlen, anerkannt und aufgehoben sein. Lernen, lachen, Fehler machen!
Legen Sie Wert darauf, die 'alten' Klassenrituale aufleben zu lassen, führen Sie neue ein - vielleicht sogar, pro Tag einen Witz zu erzählen / ein lustiges WhatsApp-Video in eigenen Worten wiederzugeben / eine Karikatur zu zeigen und zu erläutern.
Fördern Sie Kommunikation und solidarischen Austausch. Bauen Sie immer wieder Gelegenheiten in den Unterricht ein, über Erfahrungen mit der Corona-Krise zu sprechen. Das Erlebte in einer Gemeinschaft zu teilen, hilft oft bei der individuellen Verarbeitung. Behandeln Sie alle Schülerbeiträge (besonders) wertschätzend, unterbinden Sie jegliche Missbilligung von Mitschüler*innen (besonders) deutlich. Fragen Sie nach, z.B. "Was würde dir helfen?" / "Was könntest du jetzt gut brauchen?" Signalisieren Sie, dass Sie für alle da sind, z.B. "Ich bin in eurer Nähe, ihr könnt mich gerne ansprechen!"
Ideen für Gesprächsanlässe:
- Corona-Poster/Corona-Portfolio erstellen; mögliche Themen: "Meine liebsten/unliebsten Beschäftigungen während der Schulschließung" / "Mein bestes Erlebnis zu Hause" / "Mein häufigstes Gefühl" / "Mein (neues) Hobby" / "Etwas Tolles/Lustiges/Interessantes, das ich gesehen/gehört/ausprobiert habe..."/ "Was ich besonders vermisst habe"/ "Was ich über Corona weiß"/ ...
- Stärke-Tier suchen: In Corona-Zeiten hat jeder einmal schlechte Tage. Überlege dir ein Tier, das sehr stark ist. Male es oder finde ein Bild, das du aufkleben kannst. Schau das Bild an, wenn du einen schlechten Tag hast. Hole dir die Kraft deines Tieres.
Sorgen Sie für sich!
Reflektieren Sie täglich, was Sie leisten können. Oft gehen bereits in der ersten Schulwoche die Basics verloren. Vergessen Sie nicht, Pausen zu machen, in der Schule zur Toilette zu gehen (kein Scherz!), gesund zu essen und ausreichend zu schlafen.
Lassen Sie sich regelmäßig testen, sobald das möglich ist.
Vergessen Sie nicht, sich selbst zu schützen (AHA-L).
Ich wünsche Ihnen Kraft für Ihr Lächeln in dieser besonders herausfordernden Zeit.
Bleiben Sie gesund!