Zu Schuljahrsbeginn lade ich Sie ein, Ihre Selbstcoachingkräfte zu stärken bzw. kennenzulernen.
Gerade in Zeiten von Corona ist es wichtig, sich gezielt Gutes tun zu können. Der Schulalltag hat sich stark verändert, manche Routinen greifen nicht mehr, Planung ist schwieriger geworden, wir müssen mit Ungewissheit umgehen lernen.
Bewusst für das persönliche Wohlbefinden und die eigene Gesundheit zu sorgen, kann uns besonders während dieser Zeit unterstützen. Das gelingt, wenn wir unsere Fähigkeit zum Selbstcoaching nutzen.
Was bedeutet Selbstcoaching?
Die Fähigkeit zum Selbstcoaching, also uns selbst ein*e gute*r Berater*in und ein*e gute*r Begleiter*in zu sein, tragen wir alle in uns. Meistens machen wir davon jedoch viel zu wenig Gebrauch. Häufig fragen wir lieber andere, deren Rat wir höher schätzen als unseren eigenen.
Mit einer respektvollen, wertschätzenden Haltung uns selbst gegenüber können wir unsere eigene Kompetenz, unsere Selbstcoachingkräfte, aktivieren. Selbstcoaching bedeutet deshalb zunächst, uns besser kennen, verstehen und schätzen zu lernen.
Dazu gehört an erster Stelle die Kenntnis unserer Bedürfnisse. Was sind meine aktuellen Wünsche, was tut mir unter den gegenwärtigen Bedingungen gut? Wie erhalte ich mir meine Zuversicht? Was brauche ich außerdem, um Stress abzubauen und mich ausgeglichen zu fühlen? Was hilft mir langfristig für mein seelisches und körperliches Wohlbefinden? Was gibt mir Kraft in der Krise?
Je besser wir uns kennen, desto genauer können wir diese Fragen für uns persönlich beantworten. Je genauer unsere Antworten ausfallen, desto leichter können wir für uns coachen, indem wir gezielt Schritte für "Wohlfühlergebnisse" planen.
Was brauchen Sie?
Möchten Sie in Corona-Zeiten mehr für Ihren Körper und Ihre Abwehrkräfte sorgen, z.B. mehr Obst und Gemüse essen, mehr Wasser (weniger Alkohol) trinken, ausreichend schlafen? Brauchen Sie vielleicht mehr Entspannung und Ruhe und wollen deshalb mehr Zeit in der Natur oder mit Meditieren verbringen oder einfach regelmäßig Pausen einlegen?
Oder merken Sie, dass es wichtiger geworden ist, Ihre körperlichen und seelischen Grenzen besser zu wahren? Welche Veränderungen können Sie leisten, wann möchten Sie andere um Hilfe bitten, z.B. bei der digitalen Unterrichtsvorbereitung?
Oder geht es Ihnen vielmehr darum, Disziplin für die Dinge aufzubringen, von denen Sie wissen, dass Sie Ihnen guttun würden, die jedoch bisher zu kurz gekommen sind, z.B ein Herzensprojekt angehen, soziale Kontakte trotz Corona pflegen oder Ordnung halten (beispielsweise im Arbeitszimmer oder im Hinblick auf die eigene Finanzlage)?
Finden Sie heraus, was wirklich wichtig für Sie ist und Ihr Wohlbefinden stützt, fördert und gerade jetzt aufrechterhält!
Schreiben Sie auf!
Ich empfehle Ihnen, diesen Prozess der Selbsterkenntnis schriftlich zu führen. Kommen Sie sich mithilfe eines Tagebuchs oder durch Listen, Tabellen oder den sog. "Stresskuchen" auf die Spur! Auf diese Weise beobachten Sie sich über einen längeren Zeitraum und bringen Ihre Beobachtungen in eine für Sie leicht auswertbare, da nachlesbare Form.
In einem Tagebuch können Sie Ihren Schulalltag, Ihr Privatleben und den Grad Ihres Wohlfühlens in "freier Prosa" abbilden, reflektieren, Ihre Schlüsse für Selbstfürsorge/-coaching daraus ziehen und umsetzen.
Dr. Janine Selle, eine Psychotherapeutin, hat unter dem Titel "moodify" im Junfermann Verlag ein "Vordruck-Tagebuch" herausgebracht, das diese Arbeit erleichtern kann. Damit Sie herausfinden, wie Sie Ihre Stimmung (engl. mood) verändern (engl. to modify) können, protokollieren Sie monatlich in einem vorgegebenen Feld "Was ich diesen Monat unbedingt erledigen möchte" und täglich in ebenfalls vorgegebenen Feldern Ihren "Selbstfürsorge-Basis-Check" und "Was ich heute gemacht habe".
Sie notieren Ihre Ziele und Beobachtungen jeweils auf einer Seite und erhalten so eine Übersicht und gute Grundlage zur Reflexion am Ende des Monats. Die "Reflexion-Felder" sind überschrieben mit "Meine Highlights des Monats", "Was gut geklappt hat", "Was noch besser klappen kann" und "Stresskuchen- was mir daran auffällt".
Der "Stresskuchen" hat eine Tortenform. Jedes Tortenstück wird mit sog. "Energieverlusten" beschriftet, z.B. Arbeitsstress, Streit in der Partnerschaft, Corona-Sorgen..., und dient zum Eintrag dessen, was Ihre Energie am Tag verbraucht hat. Je größer das Tortenstück, desto größer war der Energieverlust. In der Reflexion können Sie sich fragen, ob es Stressfaktoren gibt, die sich reduzieren lassen.
Hierfür kann alternativ eine einfache Tabelle hilfreich sein. Darin notieren Sie Stressauslöser und Ihre Reaktionen darauf. Eine weitere Spalte dient der Überlegung, wie Sie in Zukunft stressmindernd agieren oder reagieren können (Situation / Reaktion / Stress-Verminderung mittels?).
Der eigenen Fantasie, wie Sie Ihre persönliche Selbstbeobachtung protokollieren und Ihre "Wohlfühlziele" entwickeln, sind keine Grenzen gesetzt. Mit der Zeit finden Sie eine eigene Schreibform und Ihre ganz eigenen "Wohlfühlfaktoren".
"Kostet zu viel Zeit und ist egozentrisch"
Um Selbstfürsorge zur Routine werden zu lassen, bedarf es einer gewissen Zeit der Selbstbeobachtung, des Aufschreibens und Ausprobierens. Mit dieser Methode des Selbstcoachings können wir mehr Wohlbefinden in unseren Alltag bringen und mehr Kraft für die Aufgaben in der Krise gewinnen. Ich meine deshalb entgegen vermeintlicher Vorbehalte: Ja, das kostet Zeit, aber nicht zu viel! Ja, wir konzentrieren uns auf unser Wohlbefinden, aber nicht egozentrisch! Die notwendige Zeit nämlich zahlt sich nicht nur in unserem höheren Wohlbefinden aus. Unsere Schüler*innen, sogar unser gesamtes Umfeld, profitierten ebenfalls davon.
moodify
Das Tagebuch für Therapie und Selbstfürsorge, Junfermann Verlag, Paderborn 2019