Im Arbeitszimmer liegen überall Stapel herum und es macht sich das Gefühl breit, nichts sei richtig erledigt. Kein Wunder angesichts der Fülle unserer Arbeitsanforderungen in der Schule.
Das chaotische Bild, mit dem wir scheinbar leben müssen, setzt sich zusammen aus noch unkorrigierten Klassenarbeiten oder Klausuren, ungelesenen Info-Materialien für die nächste Klassen- oder Studienfahrt, eingesammelten Hausaufgaben, diversen für Unterrichtseinheiten gestapelten Materialien und Büchern, noch nicht abgehefteten Protokollen, Produkten aus Arbeitsgruppen oder Schüler-AGs, unfertigen ILE-Bögen etc.
Die Reihe ließe sich beliebig fortführen, zumal Verwaltungsaufgaben nicht nur für die Schulleitung, sondern auch für Lehrerinnen und Lehrer in den letzten Jahren stetig zugenommen haben.
Wie werden Sie das Chaosgefühl los, wie entkommen Sie der Chaosfalle, die häufig schon wenige Wochen nach Schuljahresbeginn zuzuschnappen droht?
Ich erlebe zwei Motto-Ziele als hilfreich, um statt Chaos Zufriedenheit zu spüren und wirklich Wichtiges gezielt zu erledigen:
- "Stärken steuern"
- "Struktur statt Stapel"
I. Stärken steuern
Im ersten Motto-Ziel geht es um Ihre geschickte Steuerung Ihrer persönlichen Stärken. Es lohnt sich, die vielfältigen Arbeitsanforderungen der Schule als Angebot zu betrachten, diese Stärken einbringen zu können. Selbstverständlich gibt es Angebote, die wir qua Amt nicht ablehnen können, Korrigieren zum Beispiel, aber Sie können durchaus Prioritäten gemäß Ihrer Stärken setzen. Wir können nämlich nicht alles in gleicher Qualität erledigen und sollten deshalb entscheiden, welche Schwerpunkte wir in unserer Arbeit setzen möchten, und uns darauf konzentrieren.
Je mehr schulischen Aufgaben wir uns widmen, die mit unseren Stärken korrespondieren, desto machbarer kann das Arbeitspensum erscheinen, selbst wenn es umfangreich bleibt. Wir fühlen uns dann intensiver mit unseren Stärken verbunden, weniger fremdbestimmt und zuweilen sogar im Flow, weil wir in bewusst gewählten Aufgaben voll aufgehen und dafür andere -zeitweise oder sogar gänzlich- vernachlässigen dürfen.
Um unsere Stärken in diesem Sinn steuernd einsetzen zu können, kann es hilfreich sein, folgende Fragen für sich zu reflektieren:
- Welche Aufgaben in der Schule passen zu meinen Werten und pädagogischen Zielen?
- Welche Herausforderungen lohnen für mich den Aufwand oder meine Weiterentwicklung, z.B. durch Fortbildung?
- Welche Aufgaben erledige ich gerne und besonders gut? Welche fallen mir leicht?
- Welche Umstände in der Schule tragen dazu bei, dass ich mich mental stark und körperlich fit fühle? Kann ich diese Bedingungen beeinflussen bzw. solche Situationen selbst herbeiführen?
II. Struktur statt Stapel
Zur äußeren Strukturgebung bieten sich Ordnungssysteme sowie Methoden aus dem Repertoire des Selbstmanagements an. Dabei geht es um die Entscheidung für ein passendes Ablagesystem und die Einordnung der anfallenden Aufgaben nach Dringlichkeit und Wichtigkeit mithilfe eines persönlichen Planungsgerüsts.
Sowohl das Ordnungssystem als auch die Planungsmethode gilt es für die eigenen Bedürfnisse und Schwerpunktsetzungen zu verfeinern. Dann kann persönliche Strukturgebung zu einem unterstützenden, sogar kreativen Ritual werden.
Nach meiner Erfahrung ist die Bewältigung der Aufgaben- und Themenvielfalt in der Schule mit den entsprechend vielen Terminen zusätzlich zum Stundenplan ohne strukturierte Ablage und Planung kaum möglich. Als entscheidend hat sich zudem herausgestellt, beides in einem persönlich-realistisch festgelegten Rhythmus vorzunehmen.
Struktur 1: Ablage
Als Ordnungssystem empfehle ich Hänge-Ordner und ein digitales Äquivalent. So spart man das lästige Abheften und kann auch leichter Veraltetes entfernen und entsorgen. Am Anfang kann es hilfreich sein, viele Ordner anzulegen, um nicht zu sehr überlegen zu müssen, wo welches Dokument hingehört. Mit der Zeit kristallisieren sich Kernthemen heraus und Klassenordner können am Schuljahresende "ausgemistet" und häufig für neue Klassen übernommen werden.
Struktur 2: Planung
Startpunkt für die persönliche Planung kann jeweils Beginn eines Schulhalbjahrs sein. Ich empfehle, zwei Kalender anzulegen, einen Übersichts- und einen Wochenkalender.
In dem Übersichtskalender können alle für mich persönlich relevanten Termine aus dem Schulkalender übertragen werden (z.B. Gesamt- und Fachkonferenzen, Elternsprechtag, Tag der offenen Tür etc. und die zentral festgelegten Termine für Klassenarbeiten, Klausuren, Abschlussarbeiten, Gutachten, Klassen- oder Kursfahrten etc.). Dieser Kalender gibt Übersicht über die Termine, die ich nicht verändern kann, und lässt mich eigene darin so einfügen, dass ich möglichst eine ähnliche monatliche Arbeitsauslastung erreiche.
Den Wochenkalender empfehle ich nach der ALPEN-Methode zu führen. Das gelingt Sonntagabend oder zu Wochenbeginn in 10-15 Minuten:
- Alles aufschreiben
- Länge einschätzen
- Pufferzeiten einplanen
- Entscheiden: Priorität
- Nachkontrolle
- Alle Termine und Aufgaben der Woche aufschreiben (Vor,-/Nachbereitung von Unterricht, Gesprächen, Arbeitsgruppen; Recherche-Arbeiten; Korrekturen; Unerledigtes; ...).
- Für alle Tätigkeiten Zeitbedarf einschätzen.
- Pufferzeiten einplanen (60-40-Regel): 60% der Wochenarbeitszeit verplanen, 40% für Unvorhergesehenes reservieren.
- Prioritäten setzen (wirklich Wichtiges herausfiltern, dabei persönliche, mit eigenen Stärken korrespondierende Schwerpunkte berücksichtigen), Zeiten für andere Aufgaben kürzen (z.B. für Routine-Korrekturen oder Zwischendurch-Gespräche oder ???).
- Am Ende der Woche alle unerledigten Aufgaben übertragen bzw. modifizieren (auf eigene Stärken hin) oder sogar streichen, wenn die Wichtigkeit nicht (mehr) gegeben ist.
Raus aus der Chaosfalle
Zu visionär? Wenn wir bewusst planen und uns auf die Aufgaben fokussieren, für die wir unsere Stärken nutzen können, sind wir zufriedener und haben eine realistische Chance gegen die Chaosfalle. Zumindest zunehmend! Manche von uns brauchen außerdem den Mut anzuerkennen, dass ihre Persönlichkeit einen Schmetterling beherbergt, dessen Flügelschlag nach der Chaostheorie sogar einen Tornado auslösen kann. Trotz Ordnungssystem und Planungsmethode können nämlich Rückfälle ins persönliche Chaos passieren. Mir hilft dann ein Zitat aus der Vorrede zu "Also sprach Zarathustra" von Friedrich Nietzsche:
"Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können."
Interessanter Link
Wider das Chaos in der Seele (ZEIT ONLINE, 04.09.2016)